Bau der Darßbahn
Zur Vorbereitung des Bahndammes für den Bau der Strecke mussten
erst zwei Lokomotiven per Schiff nach Prerow gebracht werden. Im Juni
1909 begannen die ersten Arbeiten bei Tannenheim und in Prerow. Der
Sand für den Bau wurde hauptsächlich aus den Dünen um
Prerow entnommen. Außerdem musste vorbereitend eine Strecke für
Arbeitslokomotiven verlegt werden.
In Barth wurde ein Lokschuppen errichtet, von dort aus verkehrte auch
eine Arbeitslokomotive auf der Chaussee nach Bresewitz.
Insgesamt mussten für die Darßbahn drei Brücken erbaut
werden: Die erste über den Fluss Barthe (16 m lang), über
die Niederung zwischen Pruchten und Bresewitz wurde die Klörbrücke
errichtet (130 m) und über die Boddenenge zwischen Bresewitz und
Timmort wurde die Meinigenbrücke als Drehbrücke von 470 Metern
Länge konstruiert, die am 20. August 1909 fertiggestellt werden
konnte.
In Prerow und Zingst wurden zwei großzügige Bahnhofsgebäude
mit Veranden und Restaurants konzipiert.
Am 20. September 1910 waren die Gleise der Darßbahn komplett verlegt,
am 30. November des gleichen Jahres konnte die Einweihungsfahrt in strömenden
Regen durchgeführt werden. Um 17 Uhr endete die Fahrt und die 18,24
Kilometer lange Strecke galt offiziell für eröffnet.
Geschichte der Darßbahn
Am 1. Dezember 1910 startete der reguläre Fahrplan der Darßbahn.
Die Züge verkehrten viermal pro Tag.
Der Fahrplan der Darßbahn, gültig ab 1.12.1910:
Barth
ab |
8:03 |
11:15 |
|
15:17 |
16:20 |
20:18 |
Tannenheim |
8:10 |
11:24 |
|
15:25 |
16:27 |
20:27 |
Pruchten |
8:15 |
11:31 |
|
15:31 |
16:32 |
20:33 |
Bresewitz |
8:21 |
11:39 |
|
15:39 |
16:38 |
20:41 |
Zingst |
8:32 |
11:54 |
|
15:55 |
16:51 |
20:55 |
Prerow
an |
8:43 |
12:08 |
|
16:08 |
17:01 |
21:08 |
Prerow
ab |
8:53 |
12:25 |
14:33 |
|
17:34 |
21:20 |
Zingst |
9:05 |
12:44 |
14:46 |
|
17:52 |
21:34 |
Bresewitz |
9:15 |
12:56 |
14:57 |
|
18:03 |
21:45 |
Pruchten |
9:21 |
13:04 |
15:04 |
|
18:11 |
21:52 |
Tannenheim |
9:26 |
13:11 |
15:09 |
|
18:17 |
21:57 |
Barth
an |
9:32 |
13:19 |
15:15 |
|
18:25 |
22:03 |
Im
ersten halben Jahr der Darßbahn wurden allein am Prerower Bahnhof
5500 Fahrkarten verkauft. Sonderzüge zu Ferienzeiten fuhren von
Prerow bis Berlin, Dresden, Halle-Leipzig, Breslau und sogar bis nach
Wien.
Silvester 1913 ereignete sich eine folgenschwere Katastrophe: Durch
eine Sturmflut wurde die Klörbrücke zerstört und der
Bahndamm zwischen Prerow und Zingst unterspült. Zwischen Barth
und Pruchten wurde aber bereits am 6. Januar 1914 der Bahnverkehr wieder
aufgenommen. Anstatt der Klörbrücke wurde eine Notbrücke
aus Holz errichtet, über die im April schon wieder Transportzüge
Richtung Bresewitz fahren konnten. Am 13. Mai fand es die erste Probefahrt
auf der wiederhergestellten Strecke statt und am 15. Mai 1914 wurde
die Darßbahn wiedereröffnet. Im Juni 1914 wurde ein Neubau
der Klörbrücke begonnen, der 723 m lang wurde, also deutlich
länger als ihr Vorgängerbauwerk von 130 Metern Länge.
Im April 1917 wurde die neue Brücke dem Verkehr übergeben.
Im ersten Weltkrieg entfielen häufig die Feriensonderzüge
auf der Darßbahn aus und der Fahrpreis wurde verdoppelt. Die Züge
waren überfüllt und es durfte nur wenig Gepäck mitgenommen
wurden.
Im Juni 1925 entzündeten sich durch den Funkenflug der Lokomotiven
ein Brand auf der Meiningenbrücke, es mussten daraufhin umfangreiche
Reperaturen durchgeführt werden.
1926 wurde die Strecke renoviert und der Bahnhof Prerow erhielt eine
Drehscheibe von 16 Metern Durchmesser, sodass die Lokomotiven nicht
mehr rückwärts fahren mussten, sondern gedreht werden konnten.
Während des Dritten Reiches gab es einen extremen Zuwachs an Fahrgästen
der Darßbahn durch die vielen KdF-Urlauber. Im Sommer 1937 verkehrten
14 Sonderzügen mit 3538 Fahrgästen auf der Darßbahn.
Am 31. Oktober 1943 gab es am Prerower Bahnhof einen schweren Unfall.
An einer Weiche sprangen drei Wagen aus der Spur und kippten um, es
gab zwei Tote.
Die Darßbahn, ihre Stilllegung und ihr teilweiser Wiederaufbau
Nach dem zweiten Weltkrieg forderte die Sowjetunion Reparationsleistungen
ein. So wurden bis Mitte 1945 alle Gleise zwischen Prerow und Timmort
demontiert. Einen Nachweis über den Einsatz der Gleise in der Sowjetunion
gab es nie.
Zwischen Barth und Bresewitz verkehrten bis September 1947 alle Züge
planmäßig, doch dann wurde auch dieser Streckenabschnitt
demontiert. Den letzten Mitarbeiter der Darßbahn wurde zum 30.
September 1947 gekündigt.
Im Jahre 1956 übernahm die NVA ein Truppenübungsgelände
auf der östlichen Halbinsel Zingst. Schwere Truppentransporte überlasteten
in Folge die Straße zwischen Barth und Zingst. Für 1963 wurde
der Wiederaufbau der Eisenbahn zwischen Barth und Zingst und der Bau
eines Verladebahnhofes in Zingst für die Truppentransporte projektiert.
Ein Problem stellte die Meiningenbrücke dar. Sie war für gleichzeitigen
Bahn- und Straßenverkehr zu eng. Deshalb setzte sich die NVA lediglich
für einen Wiederaufbau bis Bresewitz ein. Im Jahr 1967 war es dann
soweit; Eisenbahnpioniere der NVA begannen mit dem Wiederaufbau der
Darßbahn, der alten Brücke über die Barthe und eine
Verladestation in Bresewitz.

Bahnhof Tannenheim, 1995
Bahnhof Pruchten, 1995
Klörbrücke, 1995
Meiningenbrücke, Foto: Ulrich Conrad
Meiningenbrücke, Foto: Ulrich Conrad
Aufgeklappte Meiningenbrücke, Foto: Ulrich Conrad
Bahnhof Zingst, 1995
Bahnhof Prerow, 1995
1990 wurde mit der Wiedervereinigung das Truppenübungsgelände
in Zingst geschlossen. Die Darßbahn wurde stillgelegt und diente
noch einige Jahre als Abstellgleis. Heute rosten die Schienen zwischen
Barth und Bresewitz vor sich hin und der Bahnhof Zingst verfällt
vor sich hin.
Am 24. Mai 1996 verkehrte der letzte einzelne Zug nach Bresewitz, um
Waggons für die dortige Ausstellung Kunst auf Schienen dort abzustellen.
Auf dem Bahndamm zwischen Prerow und Zingst ist in den letzten Jahren
eine neue Landstraße entstanden. Die Verkehrspolitik der Halbinsel
zeigt mehr in Richtung Straßenverkehr (Foto: Andreas Jüttemann,
2005)
Der Bahnhof Zingst verfällt vor sich hin (Foto: Andreas Jüttemann,
2005)
ebenda

Die alte Veranda des Bahnhof Zingst (Foto: Andreas Jüttemann, 2005)
Der Bahndamm zwischen Zingst und Timmort ist heute ein Gestrüppwall
(Foto: Andreas Jüttemann, 2005)
Ebenso (Foto: Andreas Jüttemann, 2005)
Zukunftsaussichten
Seit 2002 verkehrt die Usedomer Bäderbahn (UBB) von Stralsund wieder
bis Barth. Die Meinigenbrücke soll in den kommenden Jahren neugebaut
werden. Die Urlauberströme auf der Straße nach Zingst und
Prerow belasten in den Sommermonaten aber heute zusehend die Natur,
die größtenteils zum Nationalpark, sodass eine Wiederinbetriebnahme
der Darßbahn wünschenswert wäre. Der Streckenabschnitt
zwischen Barth und Zingst ist noch freigehalten, auf dem Bahndamm zwischen
Zingst und Prerow befindet sich heute die Umgehungsstraße.
Der Autor des Kompendiums "Verkehrsgeschichte der Halbinsel Fischland-Darß-Zinst"
Bernd Goltings träumt noch von einer Wiedereröffnung im Zuge
des Meinigenbrückenneubaus. Die Lokalzeitschrift Zingster Strandbote
schrieb dazu in ihrer Ausgabe vom Juli 2004 weniger eisenbahnorientiert:
"Der irrelevante Gedanke einiger Nostalgiker, die Darßbahn
wieder zum Leben zu erwecken, ist wohl mehr ein Wunschdenken. Diskussionen
zu diesem Thema sind eher 'Stammtischgespräche', zumal der finanzielle
und materielle Aufwand erheblich sein dürfte und von Bund oder
Land als dritt- oder gar viertklassig eingestuft werden. Bei einer richtungsweisenden
Verkehrsstruktur und -planung für die Zukunft spielt die Wiederbelebung
der Darßbahn als Transportmittel für Personen und Güter
keine Rolle mehr."
Allen Unkenrufen zum Trotz: Im Jahre 2020 wurde der Wiederaufbau der Darßbahn beschlossen.