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Die Eisenbahnersiedlung Neuseddin

Im Zeitalter der Industrialisierung reichten die Rangier- und Verschiebebahnhöfe für den Güterverkehr in Berlin bald nicht mehr aus. Da aber auch die innerstädtischen Flächen erschöpft waren, plante man kurz nach der Jahrhundertwende vor den Toren der Stadt den Bau neuer Güterbahnhöfe. So entstand in den Jahren 1912 bis 1919 auch eine großflächige Anlage an der "Kanonenbahn" am südwestlichen Stadtrand bei Seddin. Bis heute ist Seddin (der gleichnamige Bahnhof für den Personenverkehr entstand 1914) eine der größten Ranigerbahnhöfe Ostdeutschlands.

Nach dem Ersten Weltkrieg (vgl. Dresden-Hellerau, Ludwigshafen-Hemshof) war es Gang und Gäbe, dass Unternehmen für ihre Arbeiter Mehrfamilienhäuser in Siedlungen mit "Gartenstadtcharakter"in der Nähe zum Werksgelände errichten ließen. Es entstand eine Vielzahl von Eisenbahnersiedlungen (vgl. Frankfurt-Nied, Lehrte, Duisburg-Wedau), die von der Reichsbahn geplant und verwaltet wurden. Nach diesen Vorbildern plante man auch für Seddin eine Siedlung.

Am 27. Juli 1914 beschloss der Landrat des Kreises Zauche-Belzig, südlich des in Bau befindlichen Rangierbahnhofs eine solche Gartenstadt zu errichten, am 12. April 1915 wurde dann vom Kreisausschuss eine Ansiedlungsgenehmigung erteilt. Ursprünglich sollte die neue Wohnungen nördlich der Bahngleise entstehen, man entschied sich dann aber für den heutigen Bauplatz. Siedlungsbau und Verwaltung wurde von der Reichsbahn übernommen. Den Amtsvorsteher stellte zwar der Kreis, sein Stellvertreter war aber Bahnbediensteter. Der Krieg verzögerte den Bau, 1919 wurden die ersten Häuser (Schmiedestraße 1, 2, 4 und 8) fertiggestellt (im Haus Nr. 1 befand sich damals ein Lebensmittelladen für den täglichen Bedarf, für größere Einkäufe erhielten die Neusiedler Freifahrkarten von ihrem Arbeitgeber, um nach Charlottenburg bzw. Potsdam zu fahren). Der restliche Teil der Häuser in der Schmiedestraße und der Bau eines Wasserturms an Westende der Siedlung folgte bis 1925.

Mit dem Bau der Siedlungshäuser an der Dr. Stapff Straße (damals "Neue Straße") und der Friedhofsgasse wurde 1925/1926 begonnen. In den Mehrfamilienhäusern waren nur Dienstwohnungen für Eisenbahner eingerichtet, es gab beispielsweise deshalb keine Stromzähler, dafür wurden im Gegenzug von der Reichsbahn einige Vorschriften erlassen (so war das Benutzen einer Glühbirne mit hohen Wattzahlen untersagt). 

Die Müllabfuhr übernahm die Bahnmeisterei. Wer aus dem Bahndienst ausschied, musste auch aus Neuseddin wegziehen und seine Dienstwohnung wurde weitervergeben. In den 1920er Jahren wurden die Mietverträge noch direkt mit der Reichsbahn als Vermieterin abgeschlossen, für die Neubauten in der NS-Zeit übernahm dann die Reichsbahn-Siedlungsgesellschaft die Verwaltung.
Am 4. April 1927 wurde das neue Schulgebäude (mit Lehrerwohnungen und Stadtbibliothek) am Breitenbachplatz fertiggestellt. Die Försterei Kunersdorfer Straße Ecke Schmiedestraße wurde auch 1927 fertiggestellt. Der neue Ort nahm also Formen an, am 1.1.1929 war Neuseddin dann auch offiziell eine selbständige Gemeinde. Die Volkszählung 1933 ergab 760 Einwohner. Die meisten Häuser an der Dr. Stapff-Straße (zweiter Bauabschnitt) konnten erst 1935/36 bezogen werden (Dr. Stapff war übrigens Präsident der Reichsbahndirektion Berlin (1926-1930), und Herr von Thielen ein preußischer Staatsminister und Vater der Eisenbahnreform von 1895).

Als dritter Bauabschnitt (ausgeführt vom Beamtenwirtschaftsverein) folgte die Thielestraße (erstes Gebäude in der Straße war ein neues Ladengeschäft in der Nr. 1, erbaut um 1927), die größtenteils 1937-1941 bezugsfertig wurde. Noch im Kriegsjahr 1941 wurde mit dem Weiterbau der Siedlung begonnen, die Grundstücke in der Waldstraße sollten bebaut werden. Kriegsbedingt wurden aber nur wenige Häuser (in sehr sparsamer Ausstattung) fertig. Mit Ende des Zweiten Weltkriegs gab es 404 Wohnungen in der Eisenbahnersiedlung Neuseddin. Trotz großer Bombenangriffe auf den Rangierbahnhof wurden nur 19 Wohnungen in der Schmiede- und Dr. Stapff Straße unbewohnbar. Sieben Häuser in der Schmiedestraße baute man bis Juni 1946 wieder auf. Auf einem im Krieg gänzlich zerstörten Wohnhaus in der Schmiedestraße wurde aus Kriegstrümmern zwischen 1949 und 1950 ein Kulturhaus (heute Leerstand, s. Foto) errichtet. Auf den Grundmauern der ebenfalls im Krieg zerstörten Schule wurde 1950 ein Neubau errichtet (ebenfalls heute Leerstand, s. Foto). Gegenüber entsteht 1950 ein medizinisches Versorgungszentrum ("Landambulatorium"). Ab 1953 entstanden neue Mehrfamilienhäuser am Breitenbachplatz, der Karl-Marx-Straße und am östlichen Ende der Waldstraße. 

Der Ausbau des Ortes wurde fortgeführt, 1964 lebten 1731 Einwohner in Neuseddin. Ende der 1960er bis noch 1989 wurden Kasernen und Wohnungen für Angehörige der Nationalen Volksarmee errichtet (Hans-Beimler-Straße), der Ort ist seit dem keine reine Eisenbahnersiedlung mehr. Die Häuser im alten Ortskern wurden bis 1983 größtenteils von der Reichsbahn-Siedlungsgesellschaft verwaltet, ab 1983 gelangte die gesamte Siedlung direkt in Reichsbahnbesitz (seit 1994 DB).

 
Schmiedestraße (links) / Blick in die Thielenstraße (rechts)

 
Kulturzentrum Schmiedestraße mit Saalbau, Baujahr 1949/50, derzeit Leerstand, wartet auf einen neuen Mieter (> Exposé des Maklers mit Grundrissen)

 
ebenso, Gartenansicht (links) /
Dr.-Stapff-Straße (rechts)


Dr.-Stapff-Straße


Dr.-Stapff-Straße / Torbogen über den Schwarzen Weg

 
Rückseite Dr.-Stapff-Straße Ecke Schwarzer Weg (links) / Breitenbachplatz (rechts)


Altes Schulgebäude am Breitenbachplatz (Neubau um 1950, derzeit Leerstand)            Teufelssee nahe Neuseddin, versteckt im Wald
Steht zum Verkauf: > Exposé             



Quelle und Verweise
Eine ausführliche Chronik und viele historische Fotos finden Sie auf der > Webseite der Familie Müller aus Neuseddin. Dort ist auch folgende Chronik zu finden:
Literaturhinweis: Cimbal, Hans-Werner & Röhr, Harald (1998): Beiträge zur Ortsgeschichte Gemeinde Seddiner See. Chronikkreis der Heimatfreunde Neuseddin.


Andreas Jüttemann März 2013
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