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Die Friedhofsbahn - Ein kleiner historischer Überblick

Die 4,24 km lange Stahndorfer Bahn (genannt "Die Friedhofsbahn") hatte am 3.6.1913 ihre Jungfernfahrt. Sie sollte die toten (und natürlich auch die lebendigen) Menschen von Berlin schnell zu den Friedhöfen nach Stahnsdorf bringen. Bevor es die Friedhofbahn gab, mussten die Leichen auf teurem Wege per Kutsche nach Stahnsdorf gebracht werden. Der Bau der Strecke wurde deshalb von den Friedhöfen mitfinanziert. Die Elektrifizierung der Strecke war für 1914 vorgesehen, wurde u.a. aber wegen des Krieges erst 1928 durchgeführt.
Da die Brücke über den Teltowkanal in den letzten Kriegstagen gesprengt wurde, konnte ab dem 17. September 1945 die S-Bahn nur zwischen Dreilinden und Wannsee verkehren. Erst am 27.Mai 1948 wurde die Brücke repariert und die S-Bahn konnte wieder bis Stahnsdorf verkehren. Zwischen Januar 1953 und September 1954 wurde seitens der DDR willkürlich (offiziell wegen Bauarbeiten, die aber nie durchgeführt wurden) der Bahnverkehr wieder unterbrochen.

Der Bahnhof Stahnsdorf (in der Bildergalerie das dritte Foto) hatte zwei Ausgänge: Einen für die Angehörigen und Friedhofsbesucher (am Bahnhofsvorplatz, heute Rudolf-Breitscheid-Platz) sowie einen anderen für die Leichenwägen (etwas nördlich vom Bahnhofsvorplatz Richtung Alte Potsdamer Landstr. gelegen). Beide Vorplätze sind heute noch auszumachen. Vom Haupteingang des Bahnhofs gelangte man durch einen Personentunnel unter den Gleisen zum Perron. Auf dem alten Bahngelände sind noch die stark bewachsenen Bahnsteigkanten und Reste von alten Telegraphenmasten auszumachen. Das gesamte Gebiet war zu DDR-Zeiten umzäunt, da in direkter Nachbarschaft eine NVA-Kaserne und ein Truppenübungsplatz lag.

1948 wurde nach dem Krieg der S-Bahn-Verkehr wieder aufgenommen, 1952 konnten Westberliner die S-Bahn in den Osten nur noch mit Passierschein nutzen.
Mit dem Mauerbau am 13.8.1961 kam das Ende für die Friedhofsbahn. Den Bahnhof Dreilinden ließ man nach dem Mauerbau verfallen und 1970 abreißen. Der Bahnhof Stahnsdorf wurde erst als Lagerhalle genutzt, aber nie gewartet und dann Plünderern preis gegeben, bis er 1976 restlos abgetragen wurde.
Bis zum Mauerfall durfte man als "Normalbürger" von Stahnsdorf aus nur bis zur Brücke des Teerofenweges laufen, da dort mit Panzersperren markiert (heute noch vorhanden) der Kolonnenweg der Grenztruppen und das grenznahe Sperrgebiet begann. Dieser Kolonnenweg der Grenztruppen wurde zwischen 1967 und 1969 zum Teil auf der alten Bahntrasse angelegt. Nach der Wende verkam der Einschnitt der Friedhofsbahn mehr und mehr zur illegalen Müllkippe.

Die Brücken zwischen Stahnsdorf und der neuen Autobahn waren für zwei Gleise ausgelegt, zum einen, weil 1913 die Berliner Stadtsynode der Stahnsdorfer Terrainbaugesellschaft erlaubte, eine Industriegleis neben dem S-Bahn-Gleis zu verlegen, zum anderen wurde die ganze Trasse so hergerichtet, dass später (wie auch in den größenwahnsinnigen Bahnausbauplänen der Nationalsozialisten von 1941 angedacht) auf gesamter Länge ein zweites Gleis Platz finden konnte.

Folgt man den Gleisen der Friedhofsbahn weiter Richtung Norden so überquert man kurz vor der Autobahn die Brücke über den Uferweg. Hier muss man bei einem Spaziergang von der Trasse links abbiegen um die neue Uferweg-Brücke über die A115 zu benutzen, damit man auf der anderen Straßenseite zur großen Gitterfachwerkbrücke über den Teltowkanal (mit einer Spannweite von 62 Metern; fünftes Foto unten) mit ihren verfaulten Holzbohlen (eigentlich ohne artistische Fähigkeit nicht mehr begehbar) gelangt. Auch hier sind die Brückenwiderlager schon für zwei Gleise ausgelegt.
Auf der anderen Uferseite ist noch die Überführung des Stolper Wegs intakt und wird für den Zubringerverkehr zur Ortschaft Dreilinden genutzt. Hinter dieser Brücke beginnt der alte Bahnhof Dreilinden mit seinem überwucherten Bahnsteig und Treppenaufgängen.
Am Bahnhof Dreilinden unterquert man die noch benutzte Teerofendammbrücke, die 1933 erbaut wurde. Die kurz dahinter parallel verlaufende Stammbahnüberführung wurde 1961 unter einem Erdwall begraben. Die ebenfalls parallelliegende alte Autobahnbrücke wurde 1996 bei einer großen Renaturierungsaktion abgerissen. Heute klafft ein großer Graben im Land, an dem der Einschnitt bis zur Königswegbrücke beginnt, in dem noch die letzten Gleise der Friedhofsbahn liegen. Diese wurden nie abgetragen, da sich die Stadtgrenze am Königsweg befand, der Mauerstreifen aber erst auf der Stammbahntrasse, sodass dort ein ca. 100m breiter Streifen Niemandsland lag, auf dem weder DDR noch Westberlin Abrissarbeiten durchführen konnte. Diesem Umstand haben wir es zu verdanken, dass dort heute noch letzte Bahnrelikte zu finden sind.

Im März 1986 stellten die Berliner Forsten, die nach ungeklärten Zuständigkeiten und Eigentumsverhältnissen Besitzer der Bahnanlagen auf Westberliner Seite wurden, einen Antrag auf Abbruch aller Gleisanlagen.
Im April 1986 begann man damit Gleise und Gleisanlagen abzutragen und die Brücke über den Kurfürstenweg und im September 1987 die Brücke über den Gestellweg abzureißen. Da es erst keine Genehmigung der Alliertenadministration gab, mussten die Abrissarbeiten unterbrochen werden und fanden erst 1988 einen Abschluss. Im Jahre 1992 wurde dann auch im Zuge der Elektrifizierung der Wetzlarer Bahn die Brücke der Friedhofsbahn in Höhe der Betriebswerkes Wannsee (siehe erstes Foto unten) abgerissen, da für die nötige Oberleitung kein Platz war. Lediglich der Bahndamm wurde zwecks "Trassenfreihaltung" erhalten, die Brücke über den Königsweg konnte wegen der damaligen Grenze unmittelbar neben der Brücke nicht zurückgebaut werden. Sie und die Rampe zur ehemaligen Brücke über die Wetzlarer Bahn (erstes Foto unten, rechts neben der Dampflokomotive) sind die einzige Relikte, die auf Westberliner Gebiet noch heute erhalten sind.

Für die nahe Zukunft ist zwar kein Neubau der Strecke in Sicht, trotzdem ist die Trasse im Flächennutzungsplan von 1994 für langfristige Maßnahmen freigehalten. Auch über eine Verlängerung der Bahn nach Teltow wurde schon 1941 nachgedacht. Zur Zeit (2005) klagt die Evangelische Landeskirche den Neubau der Strecke ein, um ihre Friedhöfe in Stahnsdorf wieder erreichbarer zu machen. Auch die Oberbürgermeister von Teltow und Stahnsdorf diskutieren über den "Ringschluss" zwischen der S25 (z.Zt. S26) in Teltow Stadt und der S7 in Wannsee (siehe hier - Google Groups, Juli 2005).


Eine kleine Seltenheit: Aufnahme von 1971.
Im Hintergrund des Zuges ist die Brücke der Friedhofsbahn über die Wetzlarer Bahn zu sehen. Am rechten Bildrand sieht man die Rampe der Friedhofsbahn hoch zur Brücke.
Foto: Karl-Friederich Seitz, Sammlung Andreas Jüttemann
ner Verkehrsblätter


Bahnhof Dreilinden, 1914
Quelle: Meyer-Kronthaler, J. & Kramer, W. (1999): Berlins S-Bahnhöfe. Ein dreiviertel Jahrhundert. Berlin: be.bra Verlag, Seite 60 - mit freundlicher Genehmigung.



Brücke über den Teltowkanal, 1996, Foto: A. Jüttemannng Wycisk / Mit freundlicher Genehmigung der Berliner Verkehrsblätter


Bahnhof Stahnsdorf kurz vor der Sprengung, März 1975
Quelle: Meyer-Kronthaler, J. & Kramer, W. (1999): Berlins S-Bahnhöfe. Ein dreiviertel Jahrhundert. Berlin: be.bra Verlag, Seite 289 - mit freundlicher Genehmigung.



Überreste am Bf. Stahnsdorf, 1975
Quelle: Meyer-Kronthaler, J. & Kramer, W. (1999): Berlins S-Bahnhöfe. Ein dreiviertel Jahrhundert. Berlin: be.bra Verlag, Seite 290 - mit freundlicher Genehmigung.


Einweihung des Bahnhof Stahnsdorfs, 1914
Quelle: Teltower Kreisblatt


"2.Juni 1913: Die neu erbaute Staatseisenbahn von Wannsee nach dem großen Südwestfriedhof bei Stahnsdorf wurde feierlich dem Betrieb übergeben. Ein Extrazug brachte die etwa 200 Festteilnehmer zu dem neuerrichteten Bahnhof, den unser Bild zeigt, und der dem Eingang des Friedhofs gegenüberliegt. Die Bahn ist auf Kosten der Berliner Stadtsynode gebaut worden und dient sowohl dem Personenverkehr nach dem Friedhof, als auch der Leichenbeförderung. Ihre Anlage war eine zwingende Notwendigkeit, weil geeignete Verkehrsmittel nicht vorhanden waren und ein vorübergehend eingerichteter Automobilverkehr sich als unzweckmäßig erwies. Der Zentralfriedhof ist ausschließlich für Berliner Kirchengemeinden eingerichtet."
Quelle: Teltower Kreisblatt
, 1914

weitere Quellen: Berliner Verkehrsblätter, Ausgaben Mai 1978 und Juni 1990

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